Vom Volxtheater zur Volxkultur
Anliegen und Idee einer kulturellen Praxis der Vielfalt
In der Theaterwerkstatt Bethel hat sich über viele Jahre eine besondere künstlerische Praxis entwickelt – das Volxtheater. Im Laufe der Zeit entstanden weitere Formen der gemeinsamen künstlerischen Gestaltung in vielfältig zusammengesetzten Gruppen: Volxtheaterwerkstätten, Kinder- und Jugendvolxtheater, Volxperformances, Volxkunst oder Volxmusik.
Durch die künstlerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen können Mitwirkende am kulturellen Leben teilhaben und es aktiv mitgestalten. Der Hauptantrieb liegt im Spiel. Friedrich Schiller hatte die Bedeutung des Spiels folgendermaßen beschrieben: »Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.«
Im Spiel bringt die Gemeinschaft ihre Deutung des Lebens und der Welt zum Ausdruck. Durch das Spiel eröffnen sich soziale Zugänge und Wirkmöglichkeiten. »Im Spiel lässt sich die Welt erweitern«, sagte Christoph Riemer einmal in einem seiner Playing-Arts-Ateliers.
Im zweckfreien Spiel gewinnen innere Bilder, Szenen, Bewegungen und Klänge Raum. Schöpferisches Potential kann sich entfalten. Empfindungen und Erfahrungen finden ihren Ausdruck. Das Atelier oder der Probenraum bilden einen Gegenort zum normierten, von Leistungserwartungen geprägten Alltag. Diejenigen, die die Widersprüche und Widrigkeiten der Gesellschaft schmerzlich erfahren haben, probieren hier den ästhetischen Dialog. Aber auch die, die es reizt für eine gewisse Zeit auszusteigen und auf künstlerischem Wege zu reflektieren. Auch das Publikum ist eingeladen, für eine Weile auszusteigen, Distanz zu gewinnen und eigene Betrachtungen anzustellen. So liegt in der Kunst für alle Beteiligten die Chance zu einem Akt der Befreiung.
Die Idee der Volxkultur hat sich aus der Erfahrung des Spielens als künstlerischem Prozess heraus entwickelt. Akteur:innen schaffen gemeinsam neue Gedankenräume, wagen Experimente und entwickeln sich über ihren Horizont hinaus. Die Vielfalt der Lebenserfahrungen und die im Spiel einnehmbaren und gestaltbaren Sichtweisen spielen dabei eine Rolle. Selbst gegenteilige Standpunkte können dabei zum Impulsgeber werden. Sie werden ins Wechselspiel gebracht und im Hinblick auf ein gestaltbares Drittes fusioniert oder transformiert. Auf diesem Wege fördert Volxkultur eine muntere und konstruktive Streitkultur. Lebendige und geschätzte Vielfalt ist hierfür Voraussetzung und Gewinn zugleich.