Neue Themen – neue Stile
Lob der Vielfalt
Mit der Übernahme der Leitung der Theaterwerkstatt 1994 durch Matthias Gräßlin, der Verlagerung der Trägerschaft vom Bereich Schulen in die Behindertenhilfe und dem Umzug in die Alte Klempnerei eröffnete sich ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeitsweise der Theaterwerkstatt: die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen, heterogenen Gruppen, unter anderem sollten Menschen mit Behinderung von dem Angebot mehr profitieren.
Mit dem Stabwechsel erweiterte sich die Zielgruppe der Theaterwerkstatt Bethel. Es ging darum, mehr interessierte Menschen mit Behinderung den Zugang zu ermöglichen. Fachlich bedeutete dies, sich künstlerisch intensiver mit der gesellschaftlichen Realität von Menschen mit Behinderung und anderen Lebenserfahrungen zu befassen.
In Kooperationen, wie zum Beispiel mit der Theatergruppe »Tapetenwechsel«, entwickelten sich spielerische Strategien zur Unterstützung von Spieler:innen mit Behinderung. Mit der 1. Aktion Grundgesetz zum Artikel 3 Abs. 3 GG »Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden« bildete sich 1998 ein Ensemble aus Menschen mit und ohne Behinderung. In einem dialogischen Probenprozess wurden die Erfahrungen und Empfindungen von Behinderung in der Gesellschaft analysiert und dargestellt. Mit dem Straßentheater »Der perfekte Mensch« und dem Bühnenstück »Der perfekte Mensch – Tauchgang 2« wurde das Thema Behinderung von einem medizinischen oder sozialen Problem in ein politisches überführt. Die darauffolgenden Projekte waren immer mehr durch einen offenen Prozess gekennzeichnet – eine Theaterarbeit ohne Voraussetzungen oder soziale Barrieren. Zwischen 1994 und 1999 wurde dieser neue Ansatz mit unterschiedlichen Gruppen ausprobiert, wie zum Beispiel mit Schüler:innnen der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schulen oder mit internationalen Gruppen wie dem tansanischen Bagamoyo-National-Ensemble, dem Ensemble der dänischen Limfjordskolen oder dem Odin-Theatret um Eugenio Barba.